2. Variante

Domcik hat einen (Alp-)Traum. Der Teufel (Dokufiktion / Hauptsache es verkauft sich…) und ein Engel (…plädiert für ein Streben nach wahrhaftiger Kunst) reden auf ihn ein.

Lukas Domcik sitzt in seinem Arbeitszimmer und denkt nach, ob er die Dokufiktion über seine Tante Thea schreiben sollte.

Lukas:„Mein Gott. Ich kann diesen Mist von der doch nicht verwenden. Außer vielleicht... Außer vielleicht für eine Dokufiktion.“

Ein Engel und der Teufel erscheinen vor Lukas.

Teufel: „Wieso eigentlich nicht? Dokufiktionen sind doch gefragt! Was spricht dagegen, Lukas?“

Lukas: „Gefragt sind sie schon. Aber das hat doch nichts mehr mit der Literatur zu tun, die ich schreiben will.“

Engel: „Genau. Die echte Literatur ist eine Kunst und die Dokufiktion ein Phänomen der kommerzialisierten Literatur, um viel Geld verdienen zu können.“

Teufel: „Aber die Leute lesen es. Sie haben nichts mit der Kunst am Hut. Warum auch? Was soll es ihnen bringen? Sie verstehen es sowieso nicht. Sie wollen sich entspannen und Spaß haben beim Lesen und nicht über irgendwelche Probleme unserer Welt informiert werden. Sie haben genug mit ihren eigenen zu tun.“

Engel: „Und dennoch gibt es noch Menschen, die die Kunst der Literatur zu schätzen wissen.“

Teufel: „Solche Spinner wird es immer geben. Hier geht es aber um Profit. Die paar Menschen, die sowas lesen, reichen nicht. Ein Buch soll ein breites Publikum ansprechen und da muss man sich nun mal etwas nach ihnen richten, wenn man einen Bestseller schreiben will. Der Kunde ist König, nicht wahr?“

Engel: „Geld ist nicht wichtig.“

Teufel: „Wenn man davon leben will, schon.“

Engel: „Aber dafür wird man sich länger an ein literarisch wertvolles Buch erinnern. Die Dokufiktionen sind es nicht, an die man sich nach Jahren noch erinnert. Oder mussten Goethe oder Schiller zu dieser Gattung greifen?“

Teufel: „Wer braucht die Erinnerung. Er lebt schließlich heute und nicht in 100 Jahren. Da hat er ja nichts mehr davon! Goethe und Schiller haben auch nichts davon, dass ihre Werke noch immer in aller Munde sind. Aber Lukas kann damit heute berühmt werden.“

Engel: „Wer muss schon berühmt sein? Das ist nicht wichtig. Außerdem kann er davon erst recht nicht abbeißen und darum scheint es dir ja zu gehen, oder?“

Teufel:„Je berühmter du bist, umso mehr Geld hast du! Aber mal abgesehen davon, Lukas: Du kannst aus dem Erbe deiner Tante was machen! Es ist nicht nur Müll, den du entsorgen musst!“

Engel: „Es sind die Gedanken und Gefühle seiner Tante und die sollten nicht missbraucht werden, um Geld zu verdienen.“

Teufel: „Wen kümmert das schon? Sie ist schließlich tot und jetzt liegt es an Lukas, was er daraus macht! Dann hätte sie es ihm nicht vererben dürfen, wenn sie nicht gewollt hätte, dass es veröffentlicht wird.“

Engel: „Er war der Einzige, dem sie etwas hätte vererben können.“Teufel:„Selber Schuld; sag ich da nur. Der Stoff eignet sich nun einmal für eine Dokufiktion.“

Engel: „Lukas. Du warst doch selber immer dagegen, Menschen in deinem Umfeld mit in deinen Büchern zu verarbeiten.“

Teufel: „In seinem Umfeld war sie nie. Und es kann sie sowieso nicht mehr stören.“

Engel: „Aber Dokufiktionen schreibt doch heute jeder. Was ist denn da noch Besonderes dran?“

Teufel: „Wenn man das richtige Thema und die richtigen Ideen hat, bringt sie nun mal Geld. Das wissen viele Schriftsteller und setzen das um. Sie sind eben clever.

Engel: „Das hat doch damit nichts zu tun. Clever ist nur der, der auf dem Markt eine Lücke entdeckt. Was wird man machen, wenn die Leute keine Dokufiktionen mehr wollen?“

Teufel: „Darüber kann man später nachdenken.“

Lukas: „Ihr habt schon recht. Aber man sollte den Stoff von Thea verwenden. Wieso auch nicht? Kann es mir schaden? Nur unter meinem Namen kann ich es nicht veröffentlichen...“

Teufel: „Darüber kannst du dir jetzt mal selber einen Kopf machen. Meine Arbeit ist getan. Man sieht sich, Lukas.“

Engel: „Ich sehe, ich werde hier nichts mehr bewirken können. Bis zum nächsten Mal, Lukas.“Lukas:„Hm. Okay. Tschüss“

Der Engel und der Teufel verschwinden.



Maria K.