3. Variante

Domcik hat einen (Alp-)Traum. Der Teufel (Dokufiktion / Hauptsache es verkauft sich…) und ein Engel (…plädiert für ein Streben nach wahrhaftiger Kunst) reden auf ihn ein.

Letzte Nacht wachte ich um 4.32 Uhr schweißgebadet auf. Ihr fragt euch sicherlich, was der Grund für diesen Schweißausbruch war. – Ein Traum, vielleicht eher ein Alptraum. Dabei spielte sich Folgendes in meinem Kopf ab:
Ich fand mich auf einer Wiese in den Alpen wieder, wo ich an einem neuen Roman arbeitete. Wenn ich mich recht entsinne, handelte es sich dabei um eine Dokufiktion. Anfangs schien alles recht friedlich und still. Die Vögel zwitscherten und der Duft der grünen Wiese stieg mir in die Nase. Ganz beseelt arbeitete ich in Ruhe und voller Ideen an meiner neuen Dokufiktion. Auf einmal tat sich der Boden unter mir auf, und es wurde unerträglich heiß. Aus dem Erdloch baute sich der Teufel vor mir auf. Er sah meinem Verleger Ralf erstaunlich ähnlich. Wild gestikulierend redete er im Bezug auf meinen entstehenden Roman auf mich ein. Er meinte, dass ich mich an seinen Rat halten solle und fing dann an zu argumentieren. Ich weiß noch genau, dass er auf den geldlichen Gewinn des Buches besonders einging. So plädierte er dafür, dass ein erfolgreiches Buch nur durch gewisse Tricks und Lügen entstehen könne. Anfangs verstand ich nicht, was er mir damit sagen wollte, doch als er dann auf meinen Plan mit Rachel einging, wusste ich sofort, was er meinte. So behauptete er, dass es irrelevant sei, ein inhaltlich brillant geschriebenes und gut recherchiertes Buch herauszugeben. Viel wichtiger sei es, dass ein Buch die Masse der Bevölkerung anspricht und somit von möglichst vielen gekauft wird. Die Kunst des Schreibens sei der Kunst des Profiterwerbens unterstellt. Zum Schluss sagte er, das weiß ich noch genau: „Hauptsache, es verkauft sich gut!“.
Nach diesem letzten Satz des Teufels wurde mir plötzlich schwindelig, und ich fand mich auf einem weichem weißen Untergrund wieder. Kaum realisiert, dass ich mich in den Wolken befand, hörte ich hinter mir eine schöne, weibliche, fast göttliche Stimme. Als ich mich dann umschaute, um mich zu vergewissern, wer so liebreizend zu mir spricht, sah ich einen weißen Engel, der Rachel verblüffend ähnelte. Auch der Engel griff das Thema des Schreibens und die Grundsätze, die es zu befolgen gilt, auf. Wie man es aus den Sagen und Märchen kennt, war auch hier ein starker Kontrast zwischen Teufel und Engel zu verzeichnen. Der Engel sprach von „wirklicher Bedeutung“ und meinte damit das Schreiben meines Buches. Er meinte, dass ein Roman so angesehen werden muss wie das Werk eines Künstlers, der damit seine Inspirationen und Gedanken ausdrücken will. So stellte er fest, dass auch ein Roman an und für sich ein Kunstwerk sei und auch ohne hohe Verkaufszahlen seinen eigenen, unbezahlbaren Wert habe, da es sich um ein Unikat handele. Ich kann mich an einen Satz des Engels erinnern, der lautete: „Nicht der materielle Wert des Buches ist ausschlaggebend, sondern das Streben nach wahrhaftiger Kunst ist bedeutend!“
Nachdem dies gesagt war, fiel ich aus den Wolken und voller Panik stürzte ich nach unten. Wie anfangs erwähnt, wachte ich – kurz vor dem Aufprall - schweißgebadet in meinem Bett auf. Den ganzen restlichen Tag dachte ich über die beiden Erscheinungen in meinem Traum nach. Mein Gewissen meldete sich angesichts der Tatsache, dass ich meinen Chef mit Rachels Text anlog, doch auch meine Geldgier und der Wunsch, mal einen Bestseller herausgebracht zu haben, meldeten sich zu Wort. Ich muss zugeben, dass ich an jenem Tag ziemlich durcheinander war, mich dann irgendwann abends entschloss, in die Theaterbar zu gehen, um dort ein Bier zu trinken und einfach diesen Alptraum zu vergessen.
Am nächsten Morgen arbeitete ich dann fleißig an meiner Dokufiktion „Vom Memelstrand zum Themseufer“ weiter, als wäre nie etwas gewesen.


Maximilian