Rachels Brief an Lukas Domcik

Mein liebster Lukas,

wie konnte das alles nur so schief laufen? Ich weiß, dass ich dich jetzt mit meinem Brief sehr überraschen werde, da ich mich in der letzten Zeit, während der Endphase unseres gemeinsamen Projektes, nicht mehr bei dir gemeldet und dich auch auf der Leipziger Buchmesse schlecht behandelt habe. Ich könnte es auch verstehen, wenn ich bei dir auf Missverständnis und Ablehnung treffen würde, aber mit diesem Brief an dich möchte ich dir aufrichtig meine Beweggründe für mein Handeln nennen.
Doch wo soll ich am besten beginnen?
Als du mir den Vorschlag unterbreitet hattest, zusammen an einer Dokufiktion zu arbeiten und ich das Exposé dazu gelesen habe, war ich hin und weg von der Zusammenarbeit und stand zu 100% hinter ihr und hinter dir. Ich wollte unbedingt, dass unser gemeinsames Werk ein voller Erfolg wird. Doch im Laufe der Zeit habe ich die Kontrolle über mich verloren. Ich war nur noch auf den Erfolg, den Ruhm und das Geld fixiert und vernachlässigte meine Mitmenschen, dich! Bevor wir uns trafen, war mein Leben sehr wechselhaft. Ich wusste eigentlich schon immer, wo meine Begabung liegt. Doch ich habe im Leben schon viele Chancen vertan und habe oft an mir gezweifelt, besonders nach der Zeit, als ich meine Schauspielerschule in Bristol wegen des hohen Konkurrenzkampfs aufgeben musste. Nun hatte ich wieder ein neues Ziel vor Augen und wollte dieses unbedingt erreichen. Meine größte Angst war, wieder einmal zu versagen und mit leeren Händen dazustehen. Als ich dann merkte, dass das Werk ein Bestseller werden könnte, war mir klar, dass ein neues, ruhmreiches Leben auf mich wartet. Ich war wie besessen. Ich wollte den Erfolg mit keinem teilen, deshalb musste ich dich loswerden. Als ich dann wieder nach England zurückgegangen bin, um mich schon ein bisschen von dir zu distanzieren, brauchte ich aber anfangs noch deine Hilfe beim Umgang mit Ralf Scholz. Je näher die Leipziger Buchmesse rückte, desto seltener habe ich mich bei dir gemeldet. Als ich dann von deinem Anruf bei dem Verlag erfuhr, blieb mir nichts anderes übrig als dich zu verleugnen, wie du auf der Messe gemerkt hast. Du kannst dir nicht vorstellen, wie ich den ganzen Rummel um mich und mein Werk genossen habe. Ganz Leipzig war ausgebucht, überall hingen Plakate und Fotocollagen mit dem Buchumschlag und meinem Foto. Als mir dann noch der Leipziger Buchpreis zur europäischen Verständigung überreicht worden ist, fühlte ich mich wie in Hollywood – mein Ziel war erreicht.
Das war die Geschichte, die Wahrheit. Es tut mir so wahnsinnig leid, Lukas. Ich wollte doch nur einmal in meinem Leben Erfolg haben und etwas beenden, was ich begonnen habe. Ich erwarte nicht, dass du mich verstehst oder dass du noch etwas mit mir zu tun haben möchtest. Obwohl … - Nein - ! Das will und werde ich nicht akzeptieren. Ich weiß doch, wie sehr du unsere lustigen und charmanten Gespräche vermisst, die Art, wie wir uns angesehen haben und ohne zu reden wussten, was wir wollten und nicht zu vergessen unsere anderen intensiven und romantischen Nächte. Ich habe doch gespürt, mit welcher Sehnsucht und Leidenschaft du mich berührt hast. Habe ich mir das alles eingebildet? Ich sehne mich nach dir, Lukas. Was wäre es denn für eine schreckliche Verschwendung, so ein gutes Team, wie wir beide es sind, nicht zu fördern. Ich meine, es hat doch eigentlich alles gut funktioniert und wir haben uns immer zu jeder Zeit gut verstanden. Nachdem nun der ganze Rummel um Memelstrand verzogen ist, brauche ich wieder eine neue Aufgabe und ich bin überzeugt, dass wir es diesmal zusammen zu einem Bestseller schaffen, vielleicht mit Wilde Nächte. Denn man kann ja nicht nur von „Lust und Liebe“ leben.
Ich wäre auch bereit, wieder nach Deutschland zu kommen – FÜR DICH!

Bitte mein Liebster – gib uns und unserer Begabung noch eine Chance!

In Liebe Deine Rachel

PS: Ich weiß nun, dass es von „Luft und Liebe“ heißt!


Sabrina