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Der "jüdischste" Roman Roths

Der Roman "Hiob" erschien im Jahre 1930 und markiert den Wendepunkt. Mit diesem Roman vollzieht Roth eine Wandlung vom gesellschaftspolitisch engagierten Reportagenautor der Neuen Sachlichkeit zum poesievoll konservativen Mythendichter. Roth greift für seine Darstellung der ostjüdischen Existenz auf die Elemente traditionellen Erzählens zurück. "Hiob" bedeutete für Roth den Durchbruch als Romancier.
Mendel Singer, die Hauptfigur in Roths Roman, ist genau wie Hiob fromm, rechtschaffend und gottesfürchtig. Sein Leben als Jude, Vater und Lehrer läuft stetig dahin. Plötzlich und unerwartet reißen ihn Schicksalsschläge aus der Bedeutungslosigkeit seiner Existenz. Der Anfang dieser Kette von Unglücken ist die Geburt seines kranken Sohnes Menuchim. Jahre später geht sein ältester Sohn zum Militär. Für Mendel ist auch dies ein harter Schlag, da es wider seinen Glauben ist. Doch auch die Flucht des zweiten Sohnes nach Amerika und die Entdeckung, dass sich seine einzige Tochter mManuskriptseite aus dem Romanit Kosaken einlässt, lassen ihn nicht zweifeln. Er nimmt diese Schicksalsschläge als Prüfung Gottes hin. Nachdem die Singers ihre Heimat verlassen haben um nach Amerika auszuwandern, treffen sie neue Unglücksfälle. Das erste Opfer, das sie bringen mussten, war das Zurücklassen Menuchims. Auch in Amerika ändert sich nichts. Sie sind zwar der Bedrohung in Russland, der Armut und der Einförmigkeit des Schtetls entkommen, doch die neue technisierte, anonyme und kulturlose Welt wirkt bedrohlich und unheimlich auf sie. Nachdem auch noch Mendels Söhne im Ersten Weltkrieg fallen, seine Frau stirbt und seine Tochter wahnsinnig wird, verliert unser „Hiob" seinen Glauben und schwört Gott ab. Doch jetzt, da er seinen Glauben verloren hat, erfährt er die göttliche Gnade. Sein Sohn Menuchim ist ,wie von einem Rabbi prophezeit, gesund geworden. Als berühmter Dirigent und Komponist ist er nach Amerika gekommen. Nachdem er seinen Vater endlich gefunden hat, nimmt er ihn zu sich und bewirkt damit dessen Rückkehr in die Gesellschaft und zu seinem Glauben. Im Gegensatz zum biblischen Hiob verliert Mendel Singer zwischenzeitlich seinen Glauben und findet auch nicht allein zu ihm zurück. Menuchim hilft seinem Vater, indem er unerwartet als Erlöser und Retter fungiert. Als Zeichen der göttlichen Gnade beendet er die Kette der Schicksalsschläge. Roth hat den Hiobvergleich für seinen Roman gewählt, da er die Frage nach dem Sinn dis Leidens hinsichtlich der Bibel beantworten wollte. Diese Frage scheint auch in Bezug zu Roths Leben interessant. Das Schicksal hat es auch nicht immer gut mit ihm gemeint. Es lassen sich sogar Parallelen zwischen Mendel Singer und Joseph Roth ziehen. Roth war wie Mendel Singer Jude und stammte aus Galizien. Roths Frau Friederike litt wie Mirjam Singer unter einer Geisteskrankheit. Aber auch andere Schicksalsschläge, wie die Geisteskrankheit seines Vaters und Roths Alkoholsucht, die er nicht besiegen konnte, beeinflussten sein Leben. Sehnte er sich vielleicht selbst nach der erlösenden Gnade?
Ist sein Roman „Hiob" ein Versuch diesen Wunsch zu verarbeiten, an dessen Erfüllung er nicht recht glauben konnte? Eins ist jedoch sicher. Sein Roman ist zeitlos und lässt sich nicht auf die Geschichte des Mendel Singer reduzieren. Der Roman reflektiert die Situation der ostjüdischen Bevölkerung, die Armut und die stagnierten Verhältnisse aber auch das technisierte, anonyme Amerika. Außerdem thematisiert Roth den klassischen Generationskonflikt und die unterschiedlichen Religionsauffassungen. Schon im Familienkreis der Singers bemerkt man eine differenzierte Sicht über Religions- und Glaubensfragen. Der Roman „Hiob" ist deshalb zeitlos gültig, weil immer wieder die Frage nach dem Sinn des Leidens aufkommt und die Hoffnung auf Erlösung in jedem Menschen verankert ist.

verfasst von: Julia Pils