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Symbole des Judentums

Krakauer Rabbiner im Gebet um 1910

Der Tallit spielt im jüdischen Leben eine sehr wichtige Rolle. Er wird als Gebetsmantel oder Gebetsschal bezeichnet. Dieser ist mit Schaufäden (Zipfelquasten) versehen. Sie geben ihm seine religiöse Bedeutung. Kleidungsstücke, die nicht vier oder mehr Ecken haben, brauchen keine Schaufäden. Dieses Gebot gilt nur für den Tag. Deshalb trägt man beim Abendgottesdienst keinen Tallit. Der Tallit wird getragen, damit der Jude daran denkt, die Gesetze Gottes einzuhalten. Den Tallit tragen die männlichen Gläubigen zu allen Morgenandachten der Woche, sowie am Sabbat und an den Festtagen. Er wird nur von Männern getragen.

Kopf- und Handteffilin copyright by SweetChild Software

Auffällig bei betenden Juden sind Riemen, die um Kopf und Hand geschnürt werden, an denen kleine Kästchen angebracht sind. Es handelt sich um den sog. Kopf- und den Handtefellin.
In beiden Kästchen befinden sich Pergamentstücken mit Torasprüchen. Nach der tradierten Vorstellung soll das Denken und Tun eines Juden von der Tora geleitet werden.

Auszug aus dem Roman

„So stand Mendel vor dem offenen Feuer und brüllte und stampfte mit den Füßen. Er hielt das rotsamtene Säckchen in den Armen, aber er warf es nicht hinein. Ein paarmal hob er es in die Höhe, aber seine Arme ließen es wieder sinken. Sein Herz war böse auf Gott, aber in seinen Muskeln wohnte noch die Furcht vor Gott. Fünfzig Jahre, Tag für Tag, hatten diese Hände den Gebetmantel ausgebreitet und wieder zusammengefaltet, die Gebetriemen aufgerollt und um den Kopf geschlungen und um den linken Arm, dieses Gebetbuch aufgeschlagen, um und um geblättert und wieder zugeklappt. Nun weigerten sich die Hände, Mendels Zorn zu gehorchen.“
Joseph Roth „Hiob“ S. 163

Gebetskreis

Jüdische Gottesdienste sind nicht an eine bestimmte Örtlichkeit gebunden. Einzigste Bedingung ist, dass sich 10 religionsmündige Männer zusammengefunden haben. Sie bilden dann einen Minjan, einen Gebetskreis.

Auszug aus dem Roman

„Mendel Singer betete nicht mehr. Wohl wurde er manchmal gebraucht, wenn ein zehnter Mann fehlte, um die vorgeschriebene Zahl der Betenden vollzählig zu machen. Dann ließ er sich seine Anwesenheit bezahlen.“
Joseph Roth „Hiob“, S. 170

Jüdischer Lebenskreis

Jüdische Grabsteine zeigen oft Symbole, die sich auf den Namen oder den Beruf des Verstorbenen beziehen (Alter Jüdischer Friedhof Prag)

Geburt / Beschneidung
Bar Mizwa
Hochzeit
Tod / Begräbnis
Vom Friedhof fahren die Trauernden zum Haus des Verstorbenen, um dort "Schiwa" zu sitzen. "Schiwa" bedeutet sieben und bezeichnet die siebentägige Trauerperiode, die dem Begräbnis folgt. Trauernde sollen an diesen Tagen zu Hause bleiben und keine Arbeit verrichten. Man sitzt auf niedrigen Schemeln, trägt keine ledernen Schuhe und verzichtet auf Baden, Rasieren, Schminken, Haareschneiden usw. Selbst das Lesen in der Tora ist verboten, da es ein Quell der Freude ist. Es dürfen nur Klagetexte wie Hiob gelesen werden. Nach dem Ende der "Schiwa" gehen die Trauernden vor die Tür, um die Rückkehr in die Gesellschaft und in die Welt zu zeigen.


Auszug aus dem Roman

„Sieben runde Tage saß Mendel Singer auf einem Schemel neben dem Kleiderschrank und schaute auf das Fenster, an dessen Scheibe zum Zeichen der Trauer ein weißes Stückchen Leinwand hing und in dem Tag und Nacht eine der beiden blauen Lampen brannte. Sieben runde Tage rollten nacheinander ab, wie große, schwarze, langsame Reifen, ohne Anfang und Ende, rund wie die Trauer.“
Joseph Roth „Hiob“, S. 153

Speisevorschriften

Rituelles Schächten

Die rituellen Speisevorschriften werden als Kaschrut-Gesetze bezeichnet. Das Einhalten dieser Vorschriften führt in der Vorstellung der Juden zur Harmonie zwischen Körper und Seele . Die Tora lehrt die Menschen sich danach zu richten, daher gibt es 613 göttliche Gebote.
Für die Juden ist die Küche nicht nur ein Ort, wo Speisen vorbereitet werden, sondern ist es das geistige Zentrum des Haushaltes. Das Einhalten der Speisevorschriften dient dazu den Alltags zu heiligen. Durch das Erfüllen der Mizwot (der göttlichen Gebote) wird auch eine so alltägliche und gewöhnliche Tätigkeit wie der Zubereitung von Speisen zum Dienst an Gott erhoben. Die Kaschrut, ebenso wie zahlreiche andere Gebote, die das tägliche Leben betreffen, soll helfen, den Dualismus von Physischem und Geistigem, Alltäglichem und Geheiligtem zu überbrücken.
Der Talmud vergleicht den jüdischen Haushalt mit einem kleinen Tempel und der gedeckte Tisch als einen Altar. Dort durfte nur ein Opfer liegen was den komplizierten rituellen Vorschriften entsprach. Jede Mahlzeit hatte durch ihre Handlung verschiedene Bedeutungen oder Symbole, jede Einzelheit hatte darin ihren Platz und ihren Zweck.
Die Speisen müssen koscher (rein, tauglich, geeignet) sein. Außerdem unterscheidet man drei Arten von Tieren: auf dem Land lebende Tiere, Meerestiere und Geflügel. Diese müssen bestimmte Eigenschaften besitzen, um als rein zu gelten.
Zu sehen ist hier die besondere Schlachtmethode der Juden, das Schächten. In der Bibel ist der Genuss des Blutes strikt verboten, deshalb wurde diese spezielle Schlachtmethode entwickelt. Der ausgebildete Schochet ("Schächter") durchschneidet mit einem scharfen Messer in einem Zug die Halsschlagader, Luftröhre und Speiseröhre, so kann das Blut ganz ablaufen.

Spiegelung der Speisegesetze im Roman

Mendel denkt an die Zukunft seiner Söhne: „Schon sah er sie in der verhaßten Drillichuniform frischer Rekruten. Sie aßen Schweinefleisch und wurden von Offizieren mit der Reitpeitsche geschlagen.“ Joseph Roth „Hiob“, S. 33   "Alle Tiere, die gespaltene Klauen haben, Paarzeher sind und wiederkäuen, dürft ihr essen." (Lev 11,3). Das Schwein hat zwar gespaltene Hufen, aber es ist kein Wiederkäuer. Der Verzehr seines Fleisches ist deshalb ausdrücklich verboten.  
Deborah vor der Frage, ob Menuchim in ein Krankenhaus soll: „Soll er unter russischen Kindern aufwachsen ? Kein heiliges Wort hören ? Milch und Fleisch essen und Hühner auf Butter gebraten, wie man sie im Spital bekommt ?“ Joseph Roth „Hiob“, S. 13   "Du sollst ein Zicklein nicht in der Milch seiner Mutter kochen." (Ex 23,19 und 34,26; Dt 14,12). Die dreifache Nennung des Verbotes interpretiert der Rabbiner als drei Verbote: das Verbot des Essens, Nutznießens und Kochens von Milchprodukten zusammen mit Fleisch.  

Pessachfest

Pessach wird als erstes der drei Wallfahrtsfeste im jüdischen Frühlingsmonat Nissan, zur Zeit der ersten Gerstenernte in Israel gefeiert. Doch Pessach ist mehr als nur ein Erntedankfest. Wie alle jüdischen Feste ist auch das Pessachfest voll von Symbolen und hat eine ganz bestimmte Bedeutung im Hinblick auf die Leidensgeschichte des jüdischen Volkes: es erinnert an die Zeit des Exodus, an den Auszug der Israeliten aus Ägypten, die Flucht vor Unterdrückung und Sklaverei. Das Pessachfest ist also ein Fest der Freiheit. Aus diesem Zusammenhang leitet sich auch der Name Pessach ab, der so viel bedeutet wie „hinwegschreiten“, „verschonen“. In der Zeit des gesamten Pessachfestes werden Matzen, ungesäuerte Brotfladen, gegessen, welche sowohl die überstürzte Flucht als auch das elende Sklavenleben der Israeliten in Ägypten symbolisieren.
An den ersten beiden Abenden der Pessachwoche wird nach einem Gottesdienst in der Synagoge die Sederfeier begangen, ein Abendmahl nach genauen Vorschriften. Zu dieser Mahlzeit wird Extra-Geschirr benutzt, da das Alltagsgeschirr durch die Berührung mit gesäuerten Speisen unbrauchbar ist. Auf dem Tisch steht ein besonders wertvoller Becher, der mit Wein gefüllt ist. Dieser ist für den Propheten Elias bestimmt, von dem die Juden glauben, dass er eines Tages gerade während des Pessachfestes zu ihnen kommt und ihnen die Ankunft des Messias mitteilt.

Mazze, Sederplatte und Weinbecher für den Sederabend copyright by SweetChild Software

Auszug aus dem Roman

„Kaum eine Minute, nachdem sich Mendel gesetzt hatte, klopfte es. Alle hörten das Klopfen, aber alle dachten, es sei eine Täuschung. An diesem Abend saßen die Freunde zu Haus, leer waren die Gassen des Viertels. Um diese Stunde war kein Besuch möglich. Es war gewiß der Wind, der klopfte. ‚Mendel‘, sagte Frau Skowronnek, ‚Ihr habt die Tür nicht richtig geschlossen.‘ Da klopfte es noch einmal, deutlich und länger. Alle hielten ein. Der Geruch der Kerzen, der Genuß des Weins, das gelbe ungewohnte Licht und die alte Melodie hatten die Erwachsenen und die Kinder so nah an die Erwartung eines Wunders gebracht, daß ihr Atem für einen Augenblick aussetzte und daß sie ratlos und blaß einander ansahen, als wollten sie sich fragen, ob der Prophet nicht wirklich Einlaß verlangte. Also bliebt es still, und niemand wagte sich zu rühren. Endlich regte sich Mendel.“
Joseph Roth „Hiob“, S. 196f.