16. Januar 2014

Gerhard Heruth - Der Mann der ersten Stunde

Gerhard Heruth ist Gründungsmitglied des Lessing-Vereins. Jetzt hat er sich aus dem Vorstand verabschiedet.

Gerhard Heruth ist ein Mann der ersten Stunde im Traditions- und Förderverein des Lessing-Gymnasiums. Mehr als 22 Jahre lang war er im Vorstand aktiv. Beim Stammtisch im Dezember ist er mit Geschenken verabschiedet worden. Am Dienstag wurde in der Vorstandsitzung noch mit Sekt sein Ausscheiden begossen. Mit Gerhard Heruth verliert der Vorstand einen besonders fleißigen „Arbeiter“.

Gerhard Heruth steht vor dem Lessing-Gymnasium, das er von 1949 bis 1953 besuchte. Foto: Jens Hoyer


„Ich war das Mädchen für alles“, sagte Heruth, der in diesem Jahr 80 wird. Er schrieb viele Beiträge für das Informationsblatt des Vereins, das zweimal im Jahr für die Mitglieder gedruckt wird, die über ganz Deutschland verstreut leben. 300 Exemplare waren jedes Mal zu verschicken. Dazu kommen an die 100 Glückwunschkarten zu Geburtstagen, um die sich Heruth kümmerte – viele Mitglieder sind hochbetagt. Schon vor Neugründung des 1945 verbotenen Vereins hatten sich ehemaligen Realgymnasiasten im Westen getroffen. Auch Döbelner Rentner, die die DDR verlassen durften, seien damals schon zu den Treffen gefahren. „Nach der Wende warteten die Leute nur darauf, dass es hier wieder losgeht“, sagte Heruth. 1991 hatte ihn sein ehemaliger Deutschlehrer Hermann Schneider auf der Straße angesprochen, ob er nicht Lust habe, im Traditions- und Förderverein mitzuarbeiten. „Ich konnte damals schon nicht Nein sagen“.

Einmal im Jahr gibt es ein großes Treffen in Döbeln, seit 2003 auch die Feiern zum Goldenen und Diamantenen Abitur. „Die Idee hatten wir bei einer Feuerzangenbowle“, erzählte Heruth lachend. Von den 32 Gründungsmitgliedern lebt noch etwa die Hälfte. Derzeit hat der Verein rund 350 Mitglieder. Von den 630 Leuten, die im Laufe der 22 Jahre dazugehörten, sind etwa 130 verstorben.

Mit dem Generationswechsel verschiebt sich auch die Aufgabe des Vereins von der Traditionspflege hin zur Förderung. Etwa 70 Prozent der Einnahmen werden für die Unterstützung des Gymnasiums aufgebracht, sagte Heruth. So finanziert der Verein das umfangreiche Ganztagsangebot der Schule mit.

In den Anfangsjahren waren die Ambitionen des Traditions- und Fördervereins nicht immer konfliktfrei umgesetzt worden. Als in den 90er Jahre ein Gedenkstein für die Schüler aufgestellt wurde, die in der Zeit von 1933 bis 1989 Opfer von Willkür und Gewalt wurden, brach eine Diskussion darüber los, ob man die beiden Systeme gleichsetzen darf. „Die damals das Geld hatten, die hatten auch das Sagen. Die haben sich im Verein durchgesetzt“, sagt Heruth heute über diesen Konflikt. Die neue Generation Vereinsmitglieder hatte vor etwa zwei Jahren dagegen keine Probleme damit, die Jahresangaben ganz zu löschen, nachdem der Gedenkstein mehrfach beschädigt worden war.

Heruth hat die weiterführende Schule von 1949 bis 1953 besucht. Als „Arbeiter- und Bauernkind“ hatte er keine Probleme, aufgenommen zu werden. Er teilt das Schicksal vieler älterer Döbelner, die nach dem Krieg ihre Heimat verloren haben. In den letzten Kriegswochen hatte er mit seiner Familie aus Ostpreußen fliehen müssen. Sie kam bei einem Verwandten unter, der als Friedhofswärter auf dem Oberfriedhof arbeitete. Dort erlebte der damals Zehnjährige den einzigen Bombenangriff auf Döbeln – in einem provisorischen Luftschutzkeller, den der Friedhofswärter in den Hang hinter seinem Garten gegraben hatte. Eine Bombe schlug gleich daneben in ein Haus an der Leipziger Straße ein – fast der einzige Kriegsschaden in Döbeln.

35 Jahre lang arbeitete Heruth als Konstrukteur in Ratiomittelbau. In dieser Eigenschaft hatte der Ingenieur nicht nur eine „Wurstbürstmaschine“ für die berühmten weißen Döbelner Salami konstruiert, sondern auch die Pyramide für die Stadt Döbeln, die sich bis heute auf dem Weihnachtsmarkt dreht. Im vergangenen Jahr ist sie 30 Jahre alt geworden.

Die historischen Beiträge Gerhard Heruths sind im Internet unter www.doebeln-entdecken.de zu finden.

Döbelner Anzeiger
Jens Hoyer
16.01.2014