02. Januar 2016

Ein Leben für die Schule

Hermann Schneider prägte 42 Jahre am Lessing-Gymnasium viele Schülergenerationen und blieb dem Traditions- und Förderverein der Schule als Ehrenvorsitzender bis zu seinem Tod verbunden.

Als ich ihn vor einigen Wochen das letzte Mal besuchte, rankte unser Gespräch hauptsächlich um ein Thema. Er wollte wissen, wie das Hauptgebäude des Gymnasiums nach der Sanierung aussieht. Ich hatte mich vorbereitet, zeigte auf dem Notebook eine kleine Präsentation mit Fotos auf denen man sehen konnte, wie schön das Schulhaus geworden ist. Er freute sich sichtlich, auch über ein gerahmtes Bild, das ich ihm am Ende meines Besuchs schenkte. Es zeigte das Hauptportal des Gymnasiums.

Wie kommt es, dass ein 88jähriger einer Schule noch so intensiv verbunden ist?

Im Falle von Hermann Schneider hat das viele Gründe. Er wurde am 21.02.1927 in der Döbelner Albertstraße als Sohn des Schneidermeisters Arno Schneider geboren. Als Sextaner schritt der zehnjährige Hermann 1937 erstmals durch das Portal der Lehranstalt, die damals noch „Staatliche Oberschule für Jungen“ hieß. Bald schon ließ der Krieg keinen Schulbetrieb mehr zu. Hermann Schneider wurde als Flakhelfer eingesetzt, überlebte das große Inferno.

Hermann Schneider
li.o.: als Sextaner (1937/38) neben Studienrat Dr. Hans Krause auf dem Hof des Döbelner Gymnasiums (ganz links)
re. u.: als junger Lehrer im Unterricht (50er Jahre)
Mitte: 2006 bei der Ernennung zum Ehrenvorsitzenden des Traditions- und Fördervereins
re.o.: 2010 als Referent beim Literaturabend zu Tellkamps "Turm"
re.u.: mit seiner Frau 2014 vei der Mitgliederversammlung des Vereins.


Er kehrte nach Döbeln zurück und bekam am 12.07.1947 an seiner Schule das Abiturzeugnis überreicht. Für ihn stand fest – er wollte Lehrer werden. Er studierte in Leipzig und kehrte 1949 als Lehrer für Deutsch, Englisch und Latein an seine Penne zurück, die inzwischen Lessing-Oberschule hieß. Dort unterrichtete er bis 1991. In diesen 42 Jahren prägte er zahlreiche Schülergenerationen. Er war ein Lehrer, der begeistern konnte, der für Überraschungen gut und dessen Liebe zur deutschen Literatur ansteckend war. Ich weiß, wovon ich rede, Hermann Schneider war mein Deutschlehrer. Meine Entscheidung, selbst Deutschlehrer zu werden, ist maßgeblich auf ihn zurückzuführen. Für mich war er ein Vorbild, ein Lehrer, der die Werte des humanistischen Gymnasiums auch in einer Zeit verkörperte, die von politischer Indoktrination geprägt war. Seine Autorität erwuchs aus einem umfangreichen Wissen, rhetorischem Geschick und psychologischem Einfühlungsvermögen. Verweise auf ideologische Prämissen hatte er gar nicht nötig. Seine Schüler wussten in der Regel, was sie an ihm hatten. Viele hielten den Kontakt zu ihrem Lehrer lange über die Schulzeit hinaus.

Nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Schuldienst blieb Hermann Schneider dem Lessing-Gymnasium wie kein anderer ehemaliger Lehrer treu verbunden. Gemeinsam mit Gleichgesinnten initiierte er nach Jahrzehnten des Verbots die Wiederbelebung eines Schulvereins. 1991 wurde im Zeichensaal der Verein "Ehemalige Realgymnasiasten und Lessing-Oberschüler Döbeln" e.V. gegründet. Der hat mittlerweile fast 400 Mitglieder und ist für die Schule ein wichtiger Impulsgeber. Durch die Unterstützung des Vereins können langjährige Traditionen des Gymnasiums gepflegt und Schülerschaft und Schule gefördert werden. Viele Jahre arbeitet Hermann Schneider im Vorstand, war Archivar des Vereins, und gründete 2001 in Räumen des Gymnasiums ein Schulmuseum. Dass er d e r Experte für die lange Geschichte der Lehranstalt war, zeigte er als Autor einer langen schulgeschichtlichen Abhandlung, die in der Festschrift zum 125. Schuljubiläum veröffentlicht wurde. Auch der Literatur blieb Hermann Schneider verbunden. Unvergessen sind seine Literaturabende für die Mitglieder des Traditions- und Fördervereins. Bis ins hohe Alter war er „up to date“, stellte einem treuen Publikum den „Turm“ vom Uwe Tellkamp vor, wandelte auf den Spuren von Thomas Mann und amüsierte seine Zuhörer mit Bastian Sicks „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“. Der Verein dankte ihm sein Engagement 2006 mit der Ernennung zum Ehrenvorsitzenden.

Mit Hermann Schneider verliert das Lessing-Gymnasium einen langjährigen Weggefährten und der Traditions- und Förderverein einen wichtigen Impulsgeber. Er wird uns fehlen.

Michael Höhme